Grundlagen des anaeroben Abbaus
Bei der Methangarung bauen — anders als beim aeroben Abbau — ausschlieBlich Bakterien organische Masse in sauerstofffreiem Milieu unter Freisetzung des so — genannten Biogases ab; darunter wird ein Gasgemisch verstanden, das im Wesent — lichen aus Methan (CH4) und Kohlenstoffdioxid (CO2) besteht (Kapitel 16.3.1). Solche anaeroben Garungs — und Faulnisprozesse, bei denen methanhaltiges Gas gebildet wird, finden naturlicherweise beispielsweise in Mooren, am Grund von Seen, in Festmistlagerstatten oder Gullegruben sowie in Hausmulldeponien statt. In Biogasanlagen werden diese Garungs — und Faulnisprozesse gesteuert mit dem Ziel, ein energetisch nutzbares Biogas zu erzeugen.
Der anaerobe Abbau wird durch verschiedene Bakteriengruppen realisiert, wel — che in Serie und in Symbiose einzelne Teilschritte des Abbaus vollziehen und auf — einander angewiesen sind (Abb. 16.1). Diese einzelnen Bakteriengruppen haben — u. a. auch in Abhangigkeit des verwendeten Ausgangsmaterials — z. T. unterschied — liche Wachstumsgeschwindigkeiten. Dies hat zur Folge, dass die Geschwindigkeit des Gesamtabbaus durch die jeweils am langsamsten wachsende Bakteriengruppe begrenzt wird.
Nachfolgend werden die verschiedenen Stufen, nach denen der anaerobe Bio — masseabbau realisiert wird, beschrieben.
— In einem ersten Schritt, der Hydrolyse, wird die Biomasse, die aus polymeren organischen Verbindungen (z. B. Kohlenhydrate, Fette, EiweiBe) besteht, durch hydrolytische und fermentative Bakterien in eine ganze Reihe niedermolekula — rer Verbindungen umgewandelt (zunachst in Monomere wie Aminosauren, Zu — cker, dann in niedere Fettsauren, Milchsaure, Alkohole usw.; Abb. 16.1). Die prozentuale Zusammensetzung dieser Zwischenprodukte wird beeinflusst durch den Wasserstoffpartialdruck. Bei niedrigen Wasserstoffkonzentrationen wird viel Essigsaure gebildet, wahrend ein hoherer Partialdruck die Bildung von Propion-, Butter — und Milchsaure sowie Ethanol bewirkt.
— In einem zweiten Schritt, der sogenannten Essigsaurebildung, werden die Reak — tionsprodukte der ersten Gruppe in Vorlaufersubstanzen von Biogas, namlich in Essigsaure, Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff, umgewandelt. Dem Wasser — stoff kommt dabei eine Schlusselrolle zu, denn nur bei sehr niedrigem Wasser — stoffpartialdruck konnen beispielsweise Reaktionsprodukte wie Propion — oder Buttersaure noch mit einem kleinen Energiegewinn in Essigsaure umgewandelt werden.
Abb. 16.1 Anaerober Abbau organischen Materials zu Biogas; je nach Art der Zahlung werden hierfur zwischen drei und funf Bakteriengruppen unterschieden (grau unterlegt) |
— In der nun folgenden dritten Stufe, der Methanbildung, entsteht durch die ei — gentlichen Methanbakterien das Biogas. Rund 70 % des Biogases werden dabei durch die Spaltung von Essigsaure in Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan (CH4) gebildet und die verbleibenden etwa 30 % entstehen durch die Verbin — dung von Wasserstoff (H2) und Kohlenstoffdioxid (CO2) zu Methan (CH4) und Wasser (H2O). Die Methanbildung ist sehr eng an den Abbau von Propionsaure geknupft, da die Methanbildner dafur sorgen mussen, dass der Wasserstoffpar — tialdruck nicht zu hoch wird, indem sie den Wasserstoff laufend in Methan um — setzen. Alle Methanbildner konnen aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid Biogas erzeugen. Die Bildung von Biogas aus Essigsaure ist demgegenuber energetisch ungunstiger; sie kann daher nur von einem Teil der methanbilden — den Bakterien bewerkstelligt werden. Trotzdem entsteht der groBere Teil des Biogases aus Essigsaure.
Alle drei erwahnten Prozesse laufen in einer Biogasanlage meist gleichzeitig ab, jedoch oft nicht mit gleicher Geschwindigkeit. Der die Geschwindigkeit bestim — mende Schritt ist bei den meisten Vergarungsprozessen die Hydrolyse. Speziell Cellulose und Hemicellulose, die z. B. in biogenen Abfallen normalerweise haufig vorkommen, sind durch die Bakterien nur langsam zu hydrolysieren. Nur wenn groBe Mengen an leicht abbaubaren Verbindungen vorliegen (z. B. in gewissen Abwassern von Brennereien oder Molkereien, in bestimmten Kuchenabfallen, in einigen nachwachsenden Rohstoffen), kann die Methanbildung zum bestimmenden Schritt fur die Geschwindigkeit werden, da sich die Saurebildner in diesem Fall re — lativ rasch vermehren. Unter diesen Bedingungen sollte nicht zuviel Material in den Reaktor gegeben werden, weil durch die hydrolytischen Bakterien ein Uber — maB an Sauren produziert wird, die den pH-Wert auf ungunstige Werte absinken lassen. Durch diese Versauerung wird die Methanbildung verlangsamt. Dies fuhrt zu einer zusatzlichen Anhaufung von Sauren und dies wiederum bewirkt schlieB — lich, dass der Prozess zum Erliegen kommt. Im diesem Fall muss normalerweise die Zufuhr von Frischmaterial vorubergehend eingestellt oder zumindest reduziert werden. Das ist auch der Grund, weshalb viele anaerobe Abwasserreinigungsanla — gen — speziell bei sehr leicht abbaubaren Substraten — mit einem Bypass ausgestat- tet sind, uber den das noch unbehandelte Ausgangsmaterial im Fall einer Storung um den Fermenter herum direkt in den Lagertank fur das ausgefaulte Substrat ge- leitet werden kann.
Bei der Methangarung werden je nach Substratzusammensetzung etwa 7 % des Energiegehaltes der abgebauten Rohstoffe in der Bakterienbiomasse, die fur den Abbau verantwortlich ist, fixiert. Das bedeutet, dass rund 90 % der Energie des abgebauten Materials im Methan verbleiben. Nur in Prozessen mit langen Aufent — haltszeiten kann ein Teil der abgestorbenen Bakterienbiomasse anaerob weiter zu Methan umgesetzt werden; dies erhoht die mogliche Energieausbeute.
Da die bakterielle Methanbildung z. T. endergonische Prozessschritte aufweist und dies die absolute Grenze dessen ist, was biologisch aus energetischer Sicht uberhaupt noch machbar ist, wird beim anaeroben Abbau kaum Abwarme frei. Trotzdem ist aus modernen Vergarungsanlagen der Effekt der Eigenerwarmung bekannt, der insbesondere im Sommer in Anlagen mit sehr hohen Feststoffgehalten und damit geringen Warmeleitfahigkeiten im Substrat zu einem ungewollten Temperaturanstieg im Fermenter um mehrere Kelvin fuhren kann. Die Ursache dafur sind exotherme biologische Abbauprozesse, die sowohl anaerob als auch unter Nutzung des mit der Biomasse ggf. eingetragenen Sauerstoffs ablaufen konnen. Dies wirkt sich entsprechend negativ auf die Prozessbiologie aus, da die Mikroorganismengesellschaften ublicherweise Temperaturschwankungen von mehr als ± 2 K nicht ohne groBere Verluste kompensieren konnen.