Verfahrenstechnik
Ziel dieses Kapitels ist eine Darstellung der verfahrenstechnischen Grundlagen der Biogaserzeugung. Dabei wird eingegangen auf alle benotigten Systemkomponen — ten. AnschlieBend wird u. a. die Verfahrensauswahl diskutiert.
Durch die Vorbehandlung des zu vergarenden Substrats kann beeinflusst werden, wie gut das Material fur den biologischen Abbau zuganglich ist. Dieser Verfah — rensschritt der Substrataufbereitung kann in die nachstehend genannten Teilschritte untergliedert werden, wobei nicht immer alle diese Teilschritte in der Praxis auch tatsachlich erforderlich oder auch sinnvoll sind. Die Auswahl ist im Wesentlichen abhangig von der physikalischen Beschaffenheit der Substrate.
— Zwischenlagerung zum Ausgleich von Schwankungen in der Anlieferung.
— Sedimentation von mineralischen Anteilen (Sand) und Storstoffabtrennung.
— Abscheidung von Fetten.
— Herstellung einer pumpfahigen Masse aus vergleichsweise trockenen Substraten ("Anmaischen").
— Zerkleinerung von grobpartikularen und festen Komponenten durch verschie — denste Technologien.
— Vermischung von mehreren Substraten zu einem Mischsubstrat.
— Hygienisierung des Substrats.
— Erwarmung des Garsubstrats z. B. durch eine aerobe Vorbehandlung.
— Vorbehandlung unter Druck-Temperatur-Kombinationen.
— Einstellung und Pufferung des pH-Werts (bei stark versauernden Substraten).
— Reduktion von Hemmstoffen (u. a. durch Ausfallen, Strippen).
Ausgehend davon werden im Folgenden wesentliche Aspekte der Aufbereitung von flussigen sowie pastosen und festen Substraten diskutiert. Auch wird geson — dert — da dies oft ein wesentlicher Punkt sein kann — auf die Hygienisierung des Substrats eingegangen.
Aufbereitung flussiger Substrate. Ein Vorbehandlungsschritt vor der Vergarung flussiger Substrate kann die Feststoffabtrennung sein. Hierbei konnen einerseits nicht abbaubare Feststoffe (z. B. Mineralien wie Sand, nicht abbaubare feste Bio —
masse wie Holzstucke) moglichst gut abgetrennt werden, damit sie nicht unnotig das vorhandene Fermentervolumen reduzieren oder bestimmte Aggregate mecha — nisch schadigen. Andererseits konnen organische Feststoffe in Hochleistungspro — zessen unerwunscht sein, da sie bei der dort ublichen kurzen Aufenthaltszeit nicht abgebaut werden konnen. Bei Anaerobfiltern besteht im Falle von groben Fest- stoffpartikeln zudem die Gefahr des Verstopfens der Filterelemente.
Flussige Substrate mit gelosten oder feinpartikularen Inhaltsstoffen konnen oft direkt und ohne zusatzliche Aufbereitung in den Garbehalter eingebracht werden. Wenn sie — wie beispielsweise bei bestimmten industriellen Abwassern — auf ho — hem Temperaturniveau anfallen, kann eine thermophile Vergarung gewahlt wer — den.
Damit der Fermenter regelmaBig beschickt werden kann, wird bei unregelmaBi — gem Substrat — bzw. Abwasseranfall ein Pufferbehalter vor dem Fermenter benotigt. Hier kann auch die Temperatur eingestellt und ggf. benotigte Nahrstoffe zugege — ben werden. Wenn das Substrat — wie z. B. Abwasser — sehr wenig Feststoffparti — kel aufweist, ist die Moglichkeit eines Warmeubertrags vom warmen, ausgegore — nen Substrat auf das zulaufende, noch unvergorene Abwasser moglich; dies ver- bessert die Energieausbeute der Anlage.
Im Pufferbehalter kann bei stark sauren Substraten auch der pH-Wert durch Zu — gabe von Lauge angehoben werden. Da ein fur die Methanisierung gunstiger pH — Wert im neutralen Bereich liegt, kann eine derartige pH-Regulierung vor der Ein — speisung in den Fermenter sinnvoll sein. Bei Substraten mit besonders hohen oder niedrigen pH-Werten ist zumindest die Moglichkeit einer pH-Regulierung tech — nisch vorzusehen; diese muss aber in vielen Fallen nicht genutzt werden, da im Methanreaktor durch die Bakterien ein gepuffertes Milieu erzeugt wird, das den pH-Wert normalerweise im gunstigen Bereich stabilisiert.
Bei sehr einseitig zusammengesetzten Substraten (z. B. bestimmte Industrieab — wasser, nachwachsende Rohstoffe) kann eine Nahrstoffzugabe notwendig sein. Dabei handelt es sich insbesondere um die Elemente Stickstoff (N) und Phosphor (P) sowie eventuell auch um gewisse Spurenelemente (Nickel (Ni), Kobalt (Co), Eisen (Fe) usw.). In solchen Fallen, in denen hemmende Substanzen in sehr groBen Konzentrationen vorkommen, kann es auch vorteilhaft sein, in einer Vorstufe Hemmstoffe auszufallen oder mit anderen Mitteln (z. B. Strippen) deren Konzent- ration zu reduzieren (z. B. Reduktion von ubermaBig hohen Sulfat — oder Ammoni- umgehalten).
Liegen grobere, leicht hydrolysierbare Feststoffpartikel im Substrat vor, besteht die Moglichkeit eines zweistufigen Abbaus. In einem (bereits beheizten) Vorbehal — ter erfolgt eine Hydrolyse und Vorversauerung, bei welcher die Feststoffpartikel aufgelost werden. AnschlieBend kann z. B. ein Hochleistungsprozess eingesetzt werden, in dem hohe Konzentrationen an Methanbildnern vorliegen.
Aufbereitung pastoser und fester Substrate. Fur grobpartikulare Stoffe kann es sinnvoll sein, eine groBe Oberflache, die dem biologischen Abbau zuganglich ist, oder auch eine Zerstorung schutzender Bestandteile wie beispielsweise die Hullen von Kornern zu erreichen. Bei der Vergarung kann das Rohmaterial beliebig stark zerkleinert werden, da beim Abbau nur die feste und flussige Phase beteiligt sind.
Vor diesem Hintergrund kann eine gute Zerquetschung und Zerfaserung des Ausgangsmaterials sinnvoll sein, da dies den Abbauprozess beschleunigt. Dabei sind i. Allg. PartikelgroBen von moglichst 1 cm bzw. kleiner bei einem vertretba — ren maschinellen und energetischen Aufwand anzustreben.
Grundsatzlich sollten beim Zerkleinern langsam laufende Apparate eingesetzt werden, da dann normalerweise weniger Schwermetallabrieb in das Substrat ge — langt. Mechanisch aufgeschlossene Abfalle konnen anschlieBend gesiebt werden, um ggf. noch vorhandene grobe Feststoffe abzutrennen. Als Zerkleinerungsaggre — gate kommen beispielsweise Schnecken-, Trommel — oder Hammermuhlen zum Einsatz. Im Fall einer Nassaufbereitung kann einer groben Vorzerkleinerung eine weitere Zerkleinerungsstufe mit einem sogenannten "Mazerator" (d. h. schnell laufende Schneidmuhle) nachgeschaltet sein, wodurch die PartikelgroBe auf wenige Millimeter reduziert wird. Halbfeste, pastose Substrate (z. B. Mischungen von Gulle mit Co-Substraten) konnen in einer Vorgrube z. B. mit Schneidpumpen oder Schneidruhrwerken vorbehandelt werden. In einigen Fallen werden auch Extruder zur Zerfaserung und Anlagen zur Thermodruckhydrolyse im Temperaturbereich bis uber 200 °C und bei sehr hohem Druck (bis 10 bar) eingesetzt. Von sehr groBer Bedeutung bei diesen Aggregaten sind eine hohe Standzeit und eine sehr gute Wartungszuganglichkeit der Schneidwerkzeuge.
Bei festen Abfallen kann eine aufwandige Aufbereitung der Garreststoffe sinnvoll sein, wenn der beim Abbau anfallende (anaerobe) Rohstoff qualitativ hoch — wertig sein muss (z. B. zur Vermarktung als Bodenverbesserungsmittel). Dann muss eine moglichst vollstandige Fremdstoffabtrennung, ggf. bereits beim Aus- gangssubstrat, erfolgen. Die danach eventuell immer noch vorhandenen Fremdstof- fe und Verunreinigungen werden dann in der Regel kurz vor dem Garprozess ab- getrennt; dadurch kann ein weitgehend fremdstofffreies Garsubstrat bereitgestellt werden. Bei einer hierzu beispielsweise moglichen Trockenaufbereitung bewegt sich das Gargut uber ein langsam laufendes Forderband, von dem Fremdstoffe (z. B. Plastik, Glas, Blumentopfe) meist manuell abgelesen werden. Metallische Storstoffe (z. B. Nagel, Gartenscheren) konnen zusatzlich mit Magnetabscheidern und Nichteisenmetallabscheidern abgetrennt werden. Solche z. T. auch vollauto — matisiert ablaufenden Aufbereitungsprozesse (z. B. Siebung, Windsichten) konnen auch nach dem Garprozess zur nachtraglichen Abtrennung von Kunststoffen und anderen Fremdkorpern eingesetzt werden; dies ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn solche Stoffe den Garprozess nicht storen und eine Trocknung der Garreststoffe erfolgt.
Wenn die festen biogenen Abfalle angemaischt werden, besteht die Moglichkeit einer Nassaufbereitung. Hier konnen mit einer Schwimm-/Sink-Trennung Schwer — stoffe (z. B. Steine, Metalle, Glas) bzw. Schwimmstoffe (z. B. Kunststoff) maschi- nell weitgehend entfernt werden. Derartige Aufbereitungsprozesse konnen aber auch nach der anaeroben Fermentation realisiert werden.
Da bei cellulosehaltigem Ausgangsmaterial die Hydrolyse der Cellulose der Schritt ist, der die Geschwindigkeit bestimmt, kann eventuell ein Celluloseauf — schluss dem Garprozess vorgeschaltet werden. Hier bestehen unterschiedliche Moglichkeiten, die sich sinnvoll in das Gesamtsystem integrieren lassen.
Von Bedeutung fur die Aufbereitung der Substrate ist die dafur benotigte Ener — gie, da unabhangig von der Art der Aufbereitung sichergestellt werden muss, dass der Energiebedarf den erreichbaren Nutzen nicht ubersteigt.
Hygienisierung. Die Hygienisierungswirkung einer Biogasanlage ist primar ab — hangig von der Aufenthaltszeit des Substrates, der Betriebstemperatur und den physikalisch-chemischen Bedingungen im Reaktor. Diesbezuglich sind voll durch- mischte Reaktoren nicht optimal, da dort die Moglichkeit besteht, dass ein Teil des Frischmaterials sogleich wieder ausgetragen wird. Dadurch konnen besonders re — sistente Keime (z. B. Bandwurmeier, bestimmte Viren) zu kurz in der Anlage ver — bleiben, um abgetotet zu werden. Sie werden dann mit dem Gargut ausgetragen und konnen — im Fall einer landwirtschaftlichen Verwertung der Ruckstande — z. B. als pathogene Keime Pflanzenkrankheiten verursachen oder uber die Nah — rung spater wieder zum Menschen gelangen (zur Hygieneproblematik vgl. /16-20/).
Das Fehlen von Sauerstoff (Anaerobie) selbst scheint nur untergeordnete Be — deutung fur die Hygienisierungswirkung zu haben. Hingegen wirkt offenbar das allgemeine Milieu bei der anaeroben Garung (d. h. Exoenzyme, Sauregehalt, Re — doxpotenzial) abtotend oder zumindest stark hemmend auf Pathogene. Speziell hygienisierend wirken anscheinend die Bedingungen der Hydrolyse, die bei leicht saurem pH-Wert und gleichzeitig hohen Konzentrationen an Exoenzymen stattfin — det, wodurch pathogene Keime und Unkrautsamen effizient angegriffen werden.
Auch die Temperaturen, bei denen der Biogasprozess ablauft, beschleunigen die Absterberate von Pathogenen. Bakterien werden beispielsweise mesophil in der Regel innerhalb von wenigen Tagen um 90 % dezimiert (z. B. Salmonella typhimurium 2,4 d, E. Coli 1,8 d, Staphylococcus aureus 0,9 d). Unter thermophi — len Bedingungen betragt die Dauer bis zur 90 %-igen Elimination hochstens weni — ge Stunden /16-15/. Dennoch finden sich im Reaktor auch nach durchschnittlich 20 d Verweilzeit bei 35 °C immer bis zu rund 10 % der unerwunschten Bakterien wieder (z. B. Salmonellen). Bei einer Reaktorkaskade steigt diese Reduktion aber bereits auf 99 % an /16-15/; dies legt den Schluss nahe, dass eine unvollstandige Abtotung nur auf die ungunstige Aufenthaltszeit-Verteilung im Reaktor zuruckzu — fuhren ist. Das Infektionspotenzial verschiedener Wurmeier und — larven (z. B. Spul — Rund-, Faden — und Gastrointestinalwurmer) wird ebenfalls mesophil bereits innerhalb von wenigen Tagen und thermophil innerhalb von wenigen Stunden zer — stort. (Schweine-)Bandwurmeier (Ascaris sp.) hingegen konnen in einer mesophi — len Einstufenvergarung im Extremfall bis zu uber drei Wochen uberleben /16-15/.
Bei der Vergarung von Grunabfallen beispielsweise aus Haushalten oder Garten ist davon auszugehen, dass die Rohstoffe einen hohen Gehalt keimfahiger Un — krautsamen aufweisen. Diese konnen bei ungeeigneter Behandlung zu einer zusatz — lichen Verunkrautung der Kulturflachen fuhren, auf der das vergorene Substrat ausgebracht wird. Untersuchungen an Versuchs — und an Praxisanlagen zeigen je- doch, dass z. B. Hirse — und Tomatensamen das anaerobe Milieu, insbesondere die hydrolytischen Bedingungen, nicht gut vertragen. In mesophilen einstufigen Anla — gen kommt es innerhalb einiger T age zu einer Keimverzogerung und damit inner — halb der durchschnittlichen Aufenthaltszeit eines konventionellen Fermenters zu einem Absterben der Samen /16-35/. In thermophilen Anlagen sowie unter den hydrolytischen Bedingungen im Zweistufenprozess erfolgt das Absterben noch ra — scher.
Viren, die beispielsweise fur Erkrankungen bei Tieren verantwortlich sind, wer — den in der Regel mesophil innerhalb von weniger als 24 h inaktiviert (z. B. Schweine-Grippe, Maul — und Klauenseuche, ubertragbare Gastroenteritis). Im thermophilen Bereich ist die Resistenz normalerweise sogar auf deutlich weniger als eine Stunde beschrankt. Ausnahme ist der sehr kleine, auBerst resistente Parvovirus, der bei Schweinen zu Fehlgeburten fuhren kann. Bei mesophiler Vergarung sind hierfur anscheinend mehrere Monate und im thermophilen Bereich ca. 8 d Aufenthaltsdauer fur die vollstandige Zerstorung notwendig /16-15/.
Ein besonderes Augenmerk muss auf phytopathogene Erreger gerichtet werden, da sonst Pflanzenkrankheiten mit dem Gargut wieder auf die landwirtschaftliche Nutzflache ausgebracht werden. Beispielsweise wird der ausgesprochen resistente Erreger der Kohlhernie (Plasmodiophora brassicae, Indikatororganismus) bei ei — ner einstufigen Vergarung bei 35 °C uber 14 d kaum signifikant abgetotet. Bei thermophiler Vergarung hingegen wird Plasmodiophora sowohl nach 14 wie auch nach 7 d entweder vollstandig abgetotet oder im Infektionspotenzial auf unter 1 % des Ausgangsmaterials reduziert.
Hinsichtlich der Hygienewirkung sind Pfropfenstromprozesse oder Reaktorkas — kaden besonders vorteilhaft, da dort sichergestellt wird, dass alles Gargut ausrei — chend lange den hygienisierenden Bedingungen ausgesetzt ist. In einem einstufi — gen Reaktor mit gutem Pfropfenstromverhalten bzw. in Serie geschalteten Reakto — ren lasst sich auch im mesophilen Temperaturbereich eine weitestgehende Hygie — nisierung erreichen; nur bei sehr wenigen, sehr resistenten Erregern mussen hier gewisse Einschrankungen gemacht werden.
Die groBte Sicherheit hinsichtlich der Hygienisierung von Substraten oder Gar — resten bietet die zusatzliche Integration einer Hygienisierungseinheit in die Bio — gasanlagen, die entweder den hygienisch bedenklichen Substrat-Teilstrom oder den Vollstrom behandelt. Hier mussen in Deutschland ublicherweise 70 °C fur mindestens 1 h gewahrleistet werden. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass ein hygienisch unbedenklich aus der Anlage austretender Schlamm bei der Lagerung wieder neu mit Keimen belastet werden kann.