. Hydrierung
Eine weitere Moglichkeit, Pflanzenole durch chemische Umwandlung an die Eigenschaften fossiler Kraftstoffe und damit an die vorhandenen Motoren anzu — passen, stellt die katalytische Reaktion mit Wasserstoff (d. h. die Hydrierung) dar. Derartige hydrierte Pflanzenole werden auch als HVO (Hydrogenated bzw. Hydrotreated Vegetable Oils) bezeichnet.
Zur Herstellung von hydrierten Pflanzenolen werden zwei Herstellungsarten unterschieden: die gemeinsame Hydrierung von Pflanzenolen und anderen organi- schen Fetten (z. B. tierische Fette) mit Mineralolkomponenten in herkommlichen Raffinerien und die Hydrierung ausschlieBlich von Pflanzenolen in speziellen Anlagen; beide Varianten werden nachfolgend diskutiert. Ziel dieser Verfahren ist es, einen dieselahnlichen Kraftstoff teilweise oder ganz auf Basis biogener Ener — gietrager zu produzieren und zugleich die vorhandenen Distributions — und Ver — marktungsstrukturen der Mineralolwirtschaft zu nutzen.
Hydrierung in Mineralolraffinieren. Aus mineralischem Rohol werden in einer Mineralolraffinerie durch Entsalzung, atmospharische Destillation und Vakuum — destination sowie weitere Verarbeitungsschritte (z. B. Hydrierung, Cracken) u. a. die Hauptprodukte Benzin und Mitteldestillat (d. h. Heizol, Diesel) hergestellt. Als Zwischenstufe entsteht nach Entsalzung, atmospharischer Destillation und Vakuumdestillation des Ruckstandes sogenanntes Vakuumgasol. Diesem Va- kuumgasol konnen Raps — oder andere Pflanzenole in Anteilen bis zu etwa 30 % beigemischt werden.
Das Verfahren basiert ursprunglich auf zwei Verfahrensschritten, dem Hydrotreating und dem Hydrocracking. Im sogenannten Hydrotreater werden die Heteroatome (d. h. Schwefel (S), Sauerstoff (O), Stickstoff (N)) des Pflanzenols
unter Einbindung von Wasserstoff (d. h. Hydrierung) aus den Molekulen entfernt. Es entstehen Kohlenwasserstoffe sowie die gasformigen Ruckstande Schwe- felwasserstoff (H2S), Wasser (H2O) und Ammoniak (NH3). Die entstandenen Kohlenwasserstoffketten werden im Hydrocracker wiederum unter Wasserstoff — einbindung (d. h. Hydrierung) in kleinere Strukturen gespalten (d. h. gecrackt); der Bruch der Bindungen erfolgt dabei statistisch. Als Kuppelprodukte entstehen Propan (C3H8), Methan (CH4) und Wasser (H2O). Die Gesamtkonversion des Einsatzmaterials liegt bei bis zu 90 %.
Ein neueres Verfahren verzichtet auf den Einsatz eines Hydrocrackers und wendet nach der Zumischung von Rapsol lediglich einen Verfahrensschritt, die Mitteldestillatentschwefelung (MDE) im Hydrotreater, an. Dabei findet bereits ein Cracken der Triglycerid-Molekule statt. Mit diesem Hydrotreater-Verfahren konnen Kraftstoffe mit einem Rapsolanteil von 10, 20 bzw. 30 % hergestellt wer- den; das Rapsol ist dabei im Endprodukt in Form von gesattigten Kohlen — wasserstoffketten (Paraffine) vorhanden. Diese gebildeten Kohlenwasserstoffe sind mineraloltypische Verbindungen (Mitteldestillate), deren Eigenschaften sich — je nach Prozessbedingungen und Ausgangsprodukten — mehr oder weniger stark voneinander unterscheiden. Langerkettige pflanzenolbasierte Paraffine beeintrach — tigen die Kaltetauglichkeit, so dass der mogliche Beimischungsanteil im Winter stark begrenzt ist. Andernfalls sind spezielle Additive fur die Verbesserung der Kalteeigenschaften eines derartigen Kraftstoffs erforderlich. Die Dichte von hydrierten Pflanzenolen ist mit etwa 780 kg/m3 deutlich geringer und die Cetanzahl (Kapitel 13.4.1.3) ist mit Werten bis zu 99 deutlich hoher als von Dieselkraftstoff, Biodiesel oder naturbelassenem Pflanzenol. Allerdings geht wahrend des Umwandlungsverfahrens die gute biologische Abbaubarkeit pflanz — licher Ole verloren. AuBerdem fuhrt der hohe Sauerstoffgehalt des Pflanzenols sowie die ungesattigten Fettsauren im Molekul zu einem erhohten Wasserstoff — verbrauch bei der Herstellung im Vergleich zu einer konventionellen Raffinerie.
Bei entsprechender Prozessfuhrung erfullt der teils auf Pflanzenol und teils auf Mineralol basierende Kraftstoff die Normanforderungen an Dieselkraftstoff; er kann damit wie Diesel eingesetzt werden /13-9/, /13-10/, /13-97/, /13-101/.
Hydrierung in speziellen Anlagen. Neben der Verarbeitung in Mineralolraffine — rien kann die Hydrierung von Pflanzenolen auch in speziell dafur konzipierten raffinerienahen Anlagen erfolgen. Beispielsweise konnen mit dem sogenannten NExBTL-Verfahren in einem raffinerieahnlichen Prozess aus verschiedenen Arten von pflanzlichen oder tierischen Olen bzw. Fetten hochwertige Kraftstoffe mit vergleichsweise gunstigeren Eigenschaften (z. B. hohere Cetanzahl bei niedrigerer Viskositat /13-22/) hergestellt werden /13-81/, /13-85/.
In einer ersten Verfahrensstufe werden bei diesem Verfahren bei Bedarf zu — nachst Feststoffe und Wasser aus dem Pflanzenol abgeschieden. Dafur kommen die fur die Pflanzenolraffination bzw. Biodieselproduktion bekannten Verfahren (Kapitel 13.2.1.4) zum Einsatz /13-42/. AnschlieBend wird das Pflanzenol erwarmt und in Hydrotreating-Reaktoren gepumpt. Fur diesen Prozess werden ublicherweise Festbettreaktoren verwendet, die bei einem Temperaturniveau von ca. 350 bis 450 °C und einem Wasserstoffpartialdruck von 48 bis 152 bar arbeiten. Dabei werden Standardkatalysatoren (z. B. auf Basis von Kobalt — oder Nickel — molybdan) eingesetzt /13-55/.
Die massespezifische Umsatzrate wird mit etwa 1,23 t Rohmaterial je t Kraft — stoff angegeben. Als Kuppelprodukte entstehen als Energietrager nutzbares Brenngas sowie zu einem kleinen Anteil Benzinfraktionen. Der spezifische Was- serstoffbedarf betragt ca. 0,09 GJ Wasserstoff je GJ Kraftstoff. Das Reaktor- effluent mit Hauptprodukt, Rezykliergas und Kuppelprodukten werden im Anschluss entsprechend separiert. Abhangig von den Eigenschaften des eingesetz — ten Rohmaterials muss der im Kreislauf gefahrene Wasserstoff entschwefelt werden /13-55/, /13-86/.
Der so hergestellte Premiumkraftstoff ist frei von Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Aromaten und weist ahnliche Eigenschaften wie synthetisch her — gestellter Dieselkraftstoff auf. Die Kennwerte der DIN EN 590 werden mit Aus — nahme der Dichte (z. B. 775 bis 785 kg/m3 fur HVO gegenuber 820 bis 845 kg/m3 fur DIN-Diesel) eingehalten /13-34/, /13-81/.