Prozessoptimierung
Prozessuberwachung und — regelung. Die Effizienz einer Biogasanlage wird de — finiert durch die Verfugbarkeit und die Auslastung des Gesamtprozesses. Eine ho — he Auslastung wird durch die Funktionalitat und Betriebssicherheit der eingesetz — ten Technik sowie von einer konstant hohen Abbauleistung des biologischen Pro — zesses bestimmt.
Ublicherweise werden in modernen Biogasanlagen alle technischen Komponen — ten (insbesondere die elektrischen) kontinuierlich uberwacht. Damit ist bereits eine wesentliche Voraussetzung geschaffen worden, um Probleme einfach und fruhzei — tig zu erkennen. Eine Hauptfrage hinsichtlich der optimierten Prozessfuhrung ist aber die Kenntnis und gezielte Beeinflussung des Zustandes des biologischen Ab- bauprozesses. Dessen direkte messtechnische Uberwachung ist dabei nach wie vor sehr begrenzt, da bisher kaum Messverfahren zu vertretbaren Kosten verfugbar sind, die es ermoglichen, die notwendigen Parameter kontinuierlich und ggf. online zu erfassen.
Eine heute verfugbare Basis fur die Optimierung und Regelung des Prozesses ist die Uberwachung einer Vielzahl von diskontinuierlich und kontinuierlich (d. h online) erfassbaren Parametern, aus denen sich der Zustand der Prozessbiologie ableiten lasst. Damit konnen auch auftretende biologische Storungen fruhzeitig er — kannt und der Prozess zuruck in einen betriebssicheren Zustand gefuhrt werden.
Bei Biogasanlagen erfolgt die Uberwachung und Regelung dabei durch ein Zu — sammenspiel von elektronischen Sensoren, Stellgliedern und dem Anlagenpersonal — und das bei einem z. T. sehr unterschiedlichen Automatisierungsgrad.
Die Vorteile der Automatisierung von Uberwachungs — und Regelalgorithmen liegen in der permanenten Verfugbarkeit und dem Erreichen einer gewissen Unab — hangigkeit von Fachpersonal. Durch die bereits haufig in GroBanlagen umgesetzte Fernubertragung von Daten kann auf die Anwesenheit von Personal am Anlagen — standort fur eine Prozessuberwachung verzichtet werden. Sie ermoglicht damit den zentralen Einsatz von Spezialisten, die beispielsweise gleichzeitig mehrere Anla — gen uberwachen.
Die Nachteile einer umfangreichen Automatisierung liegen in den anfallenden Kosten fur Messtechnik und Datenerfassung sowie der Beschrankung der Automatisierung auf bekannte und modellierte Prozesszustande. Diese Nachteile werden aber in der Regel durch eine erhohte Verfugbarkeit der Anlage ausgeglichen.
Da diese Vor — und Nachteile je nach Anlagenspezifikationen unterschiedlich zu gewichten sind, gibt es bisher keine standardisierte messtechnische Ausstattung fur Biogasanlagen. Die verwendeten Instrumente mussen den jeweiligen spezifischen Bedingungen angepasst werden.
Eine groBe Rolle spielt dabei die Dimensionierung der Anlage. Biogasanlagen, die im Grenzbereich des technisch und biologisch Moglichen betrieben werden, konnen schon auf kleinere Storungen mit erheblichen LeistungseinbuBen reagie — ren. Dem sollte mit einem Mehraufwand an Messtechnik Rechnung getragen wer — den.
Die Uberwachung und Regelung von Biogasanlagen kann in die technische und die biologische Funktionalitat unterteilt werden.
Die Gewahrleistung der technischen Funktionalitat umfasst die Uberwachung von
— Fermentertemperatur,
— Fullstande in Fermentern und Beschickungsaggregaten,
— Gasqualitat des Biogases (d. h. Methangehalt, Sauerstoffgehalt, Schwefelwas — serstoffgehalt),
— produzierte Gasmenge,
— Inputmengen,
— Betriebszustand des BHKW und
— Betriebszustande von Pumpen, Ruhrwerken und Sicherheitseinrichtungen.
Bei Substraten, die zur Schwimmdeckenbildung neigen, sollte zusatzlich die Be — wegung der Fermenteroberflache uberwacht werden.
Die Uberwachung des Zustandes des biologischen Abbauprozesses ist demge — genuber aufwandiger. Besonders bei Anlagen, die eine hohe Raumbelastung und/oder niedrige Aufenthaltszeiten aufweisen, hemmende Substanzen in hohen Konzentrationen enthalten oder wechselnde Substratmischungen nutzen, besteht ein erhohtes Risiko der Uberlastung des Prozesses. Die fruhe Erkennung von ent — sprechenden kritischen Prozesszustanden (Saureanreicherung, mit folgender Hemmung und verminderter Gasproduktion) ist essentiell, um gravierende Leis — tungseinbuBen zu vermeiden.
Bei landwirtschaftlichen Biogasanlagen wird am haufigsten der Ruhrkesselreak — tor eingesetzt, dessen idealer Betriebszustand stationar ist (d. h. Prozessparameter wie Inputmenge, Substratkonzentration und Bakterienkonzentration sind konstant). Damit sind Raumbelastung, Verweildauer, der erreichbare Abbaugrad und die Gasproduktionsrate durch die Dimensionierung der Anlage vorgegeben und sollten soweit wie moglich konstant gehalten werden.
Der stationare Zustand ist praktisch jedoch nicht erreichbar, da es unvermeidbar zu Storungen (z. B. Veranderungen der Substrateigenschaften und — mengen, Ein — trag von Desinfektionsmitteln) kommt und dadurch der Prozess vom Sollzustand abweicht. Problematisch ist dabei, dass es bisher keinen Parameter gibt, der zuver- lassig und kostengunstig eine Storung der biologischen Abbauprozesse erkennbar macht. Wesentlich in diesem Zusammenhang ist die Verfugbarkeit analytischer Methoden. Die Analyse der Saurekonzentration wird beispielsweise auf Basis von Proben durchgefuhrt, die dem Prozess entnommen und in ein Labor transportiert werden mussen. Solche Analysen sind aufwandig und damit teuer. Auch sind die Ergebnisse zudem nur zeitverzogert verfugbar. Fur eine Detektierung schneller Veranderungen im Prozess sind daher kontinuierlich arbeitende Sensoren besser geeignet, die online im Prozess integriert sind und eine hohe Messdichte sowie ei — ne permanente Verfugbarkeit der Messwerte garantieren. Tabelle 16.7 zeigt we — sentliche Parameter zur Beurteilung des Prozesszustandes der Biologie.
Kritisch zu bewerten ist die Aussagekraft der derzeit verfugbaren Online-Senso — ren. Ein Messwert allein reicht i. Allg. nicht aus, um alle moglichen Prozesszu — stande zu unterscheiden. Daher ist eine Kombination von mehreren Messwerten notwendig. Hier hat sich die Kombination von Durchflussrate, Gasproduktionsrate, Methangehalt im Biogas und pH-Wert als geeignet gezeigt, den Prozess zu regeln, wenn er keinerlei Hemmung unterliegt, da die Verlaufe dieser MessgroBen die Un- terscheidung von Prozesszustanden wie Substratmangel, Uberlastung oder Opti- malbetrieb ermoglichen. Bei einer hohen Konzentration an Ammonium weist die Prozessdynamik aufgrund der Hemmwirkung veranderte Eigenschaften auf, die ei- ne zusatzliche Bilanzierung der Abbauvorgange oder die Uberwachung der Kon- zentration an organischen Sauren notwendig machen /16-27/.
Beim Einsatz von Online — (d. h. kontinuierliche) und Offline — (d. h diskontinu — ierliche) Messtechnik zeigt die Erfahrung, dass gerade der regelmaBigen Kalibrie — rung und Funktionsprufung sehr groBe Beachtung zukommt. Daruber hinaus sind bei der Bewertung der erfassten MessgroBen der Messort und ggf. auf die Messung einwirkende Storfaktoren zu berucksichtigen (z. B. Druck und Temperatur bei Gasmessungen).
Prozesshilfsstoffe. Die fur die Vergarung organischer Stoffe verantwortlichen Mi — kroorganismen benotigen eine ausgewogene Nahrstoffzufuhr, um eine optimale Biogasproduktion zu ermoglichen. Dies ermoglicht grundsatzlich die Beeinflus — sung nicht optimal betriebener Biogasanlagen durch die gezielte Zufuhr von Pro — zesshilfsstoffen. Der Trend zu immer groBeren Biogasanlagen und die rechtlich und technisch bedingte Trennung von Substraten hat zu einer immer weiter ver — breiteten gemeinsamen Vergarung sehr weniger Stoffgruppen und teilweise sogar zur Monovergarung gefuhrt (z. B. Monovergarung von Maissilage in landwirt- schaftlichen Biogasanlagen).
Gerade bei derartigen Anlagen konnen prozessbiologische Probleme auftreten, die darauf zuruckzufuhren sind, dass das Nahrstoffspektrum, insbesondere das Vorhandensein von bestimmten Spurenelementen, nicht ausgewogen ist. Deshalb wurde inzwischen eine Vielzahl von Produkten auf den Markt gebracht, die einem derartigen Mangel entgegenwirken bzw. gleichzeitig zur Reduktion von Hemm — wirkungen anderer Stoffgruppen (z. B. Ammoniak, Schwefelwasserstoff) und/oder der Steigerung der Biogasausbeute fuhren sollen.
Bis heute sind hinsichtlich der Wirksamkeit der am Markt verfugbaren bzw. grundsatzlich einsetzbaren Zuschlagsstoffe keine systematischen und belastbaren Forschungsarbeiten bekannt. Trotzdem scheinen zumindest einige der angebotenen
Tabelle 16.7 MessgroBen zur Prozessbewertung von Biogasanlagen
Aussage zum Prozesszustand Verfugbare Messtechnik
Leistung des Gasbildungsprozes — Onlinemesstechnik verfug-
ses, volumenbezogen und substrat — bar
bezogen
Verhaltnis von Methanbildung Onlinemesstechnik verfug — und Versauerung bar
Verhaltnis von Versauerung und Onlinemesstechnik verfug- Methanbildung bar
Hemmwirkung des Schwefelwas — Onlinemesstechnik verfug — serstoff; Garantiewert fur den Her — bar steller von BHKW
pH-Wert beeinflusst die Stoffwechselakti — Onlinemesstechnik verfug-
vitat direkt sowie indirekt die bar Hemmwirkung der organischen Sauren, des Ammoniums und des Schwefelwasserstoffs
Gehalt an Ammonium (NH4) Hemmwirkung des Stickstoffs
Saure — und Basekapazitat des Neigung zu Veranderungen des
Garsubstrates pH-Wertes, Saureanreicherung
Gehalt an fluchtigen organischen Zweipunkttitration, Abschatzung Sauren(FOS) bzw. an gesamten des Sauregehaltes und der Alkali — alkalischen Karbonaten (TAC) nitat
Substrateigenschaften Abbaugrad, Onlinemessung nicht ver — Abbaugeschwindigkeit fugbar
Stoffe, insbesondere hinsichtlich der Prozessstabilisierung, wirksam zu sein. Des — halb werden heute sehr viele Biogasanlagen unter Zusatz von derartigen Prozess — hilfsmitteln betrieben. Als vielversprechende Stoffgruppen bzw. Zusatzstoffe, die sich positiv auswirken sollen, sind die folgenden in der Diskussion:
— Metallsalze,
— Enzympraparate und
— Mischungen von Spurenelementen mit Eisen, Molybdan, Mangan, Kobalt, Nickel und Selen.
Ausgehend von den praktischen Erfahrungen in Praxisanlagen zeichnet sich ein Trend zur Ableitung des erforderlichen Prozesshilfsstoffbedarfes aus der detaillier — ten Analyse des Fermenterinhaltes ab. Uber notwendige Spurenelementekonzentra — tionen konnen aber bisher noch keine klaren Aussagen gemacht werden.