Substratcharakterisierung
Die fur die Vergarung eingesetzten Substrate bestimmen den Prozessverlauf und die Biogasausbeute. Deshalb werden nachfolgend die fur die Charakterisierung von Biogassubstraten (z. B. Abwasser, organisches Nebenprodukt, organischer Ruckstand, organischer Abfall, nachwachsender Rohstoff) wesentlichen GroBen beschrieben.
Temperatur. Da Vergarungsanlagen normalerweise bei rund 38 °C, ggf. auch bei rund 57 °C, betrieben werden, ist es von Vorteil, wenn die Substrate bereits auf ei — nem hohen Temperaturniveau anfallen, da fur ein ansonsten erforderliches Aufhei — zen ein entsprechender Teil der erzeugten Energiemenge eingesetzt werden muss.
Nahrstoffangebot. Die zu vergarenden Ausgangsmaterialien sollten, damit der Garprozess optimal ablaufen kann, genugend Nahrstoffe und Spurenelemente ent — halten. Allgemein wird ein Verhaltnis von Kohlenstoff (C) zu Stickstoff (N) zu Phosphor (P) von etwa 100 bis 200 zu 4 zu 1 empfohlen. Das haufig betrachtete C/N-Verhaltnis ist dagegen kein ausreichender Indikator fur die anaerobe Abbau — barkeit. Es gibt hochstens erste Hinweise, da Stickstoff (N) beispielsweise auch immobilisiert in nicht abbaubaren Ligninstrukturen vorliegen kann.
Weitere Elemente, wie Natrium (Na), Kalium (K) und Kalzium (Ca) sowie Spurenelemente (z. B. Fe, Zn, Cu, Mo, Mn, Co, Ni, Se), konnen in Abhangigkeit von ihrer Bindungsform den Abbauvorgang ebenfalls beeinflussen. Insbesondere beim Einsatz von Monosubstraten sind beispielsweise aus der Vergarung nachwachsen — der Rohstoffe Mangelerscheinungen mit starkem Einfluss auf die Prozessstabilitat bekannt.
Da bei der anaeroben Fermentation insgesamt gesehen aber nur wenig Bakteri — enbiomasse gebildet wird, ist der Einfluss des Nahrstoffangebots auf den Garpro — zess in der Regel weniger kritisch als beispielsweise bei aeroben Prozessen.
Konzentration organischer Stoffe. Auch der Gehalt organischer Stoffe, ausge — druckt als Fracht (z. B. in Form von organischer Trockenmasse (oTM)) im zu ver — garenden Substrat, beeinflusst die Verfahrenswahl wesentlich. Anaerobe Bakterien bevorzugen namlich hohe Substratkonzentrationen, in denen sie sich mit relativ wenig (energetischem) Aufwand mit Nahrung versorgen konnen. Beispielsweise bei der Abwasserbehandlung eignen sich anaerobe Prozesse daher speziell fur mit — tel — und hoch belastete Substrate (d. h. CSB-Konzentrationen (CSB chemischer Sauerstoffbedarf, Kapitel 16.1.4) zwischen einigen g/l und einigen 10 g/l). Unter — halb von CSB-Konzentrationen von 2 g/l werden deshalb eher aerobe Mikroorga — nismen eingesetzt; aerobe Prozesse konnen daher gut zur Nachreinigung anaerob vorbehandelter Substrate genutzt werden. Bei der Vergarung von Substraten mit hohen Feststoffgehalten wirkt sich die Konzentration der organischen Stoffe stark auf die Raumbelastung (vgl. Kapitel 16.1.3) aus, die in engem Zusammenhang mit der Stabilitat des Vergarungsprozesses steht. Hohe organische Frachten neigen zur verstarkten Saurebildung.
Zusammensetzung der organischen Fraktion. Die Abbaubarkeit und die Dyna — mik des Abbaus der organischen Anteile der eingesetzten Substrate hangen stark von der Art der zu vergarenden organischen Substanz ab. Sehr gute Hinweise gibt die Klassifizierung der Substrate nach Weender (Rohfaser, Rohprotein, Rohfett und stickstofffreie Extraktstoffe, die in Kombination mit Verdaulichkeitsquotien — ten die Eignung organischer Stoffe als Futter beschreiben) oder die Einteilung nach van Soest (Cellulose, Hemicellulose und Lignin).
Hemmstoffe. Zusatzlich ist der Gehalt an potenziellen Hemmstoffen zu beachten, die ggf. in gewissen Industrieabwassern und organischen Abfallen vorkommen konnen. Hier kann es sich beispielsweise um Desinfektionsmittel, Antibiotika, Ammoniumfrachten oder Tenside handeln. Sie erfordern entweder eine entspre- chende Adaptation (Anpassung) der Bakterien und/oder eine Vorbehandlung der Substrate bzw. den Ausschluss der Hemmstoffe aus der Substratzufuhr in die Bio- gasgewinnung.
Feststoffgehalt. Bei mehr als 10 % Feststoffgehalt konnen anaerobe Hochleis — tungsprozesse zur Flussigvergarung i. Allg. nur noch sehr beschrankt eingesetzt werden. Substrate mit derart hohen Feststoffgehalten werden vorteilhaft konventi — onell vergoren (d. h. bei relativ langer Verweilzeit im Faulraum bzw. im Fermenter und bei niedrigerer Faulraumbelastung). Solche konventionellen Garprozesse sind besonders interessant bei mehr als 5 % Trockenmassegehalt in den Substraten. Garsubstrate mit mehr als 40 % Trockenmassegehalt mussen demgegenuber — da der anaerobe Abbauprozess nur im wassrigen Milieu stattfinden kann — in der Regel befeuchtet werden.
Korngrofienverteilung. Die KorngroBenverteilung beschreibt die physikalische Zusammensetzung der Substrate. Diese ist insbesondere vor dem Hintergrund der Nutzung bzw. Behandlung in technischen Anlagen von groBer Bedeutung, da der mikrobielle Abbau nur geloste Komponenten umfasst und von den Oberflachen der im zu vergarenden Substrat befindlichen Partikel her fortschreitet. Daher sind feinkornige Substrate in der Regel leichter abbaubar als grobkornige Stoffe. Da — ruber hinaus ist es von groBer Bedeutung fur die Forder — und Ruhrtechnik, ob die Biomasse gelost, feinkornig, grobkornig oder in Faserform vorliegt.