Verunreinigungen
Aufgrund physikalischer Einschrankungen und der T atsache, dass Gleichgewichts — zustande der chemischen Gleichgewichtsreaktionen meist nicht erreicht werden, konnen auch bei hoheren Vergasungstemperaturen und langeren Gasverweilzeiten im Reaktor nicht alle Produkte der pyrolytischen Zersetzung vollstandig in Koh — lenstoffmonoxid (CO), Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Wasserstoff (H2) konvertiert werden. Deshalb finden sich im dem den Reaktor verlassenden Rohgas unterschiedliche Mengen verschiedener hoher siedender Kohlenwasser- stoffverbindungen; sie werden meist als Teere oder als kondensierbare organische Bestandteile bezeichnet.
Je nach Vergasertyp, Vergasungsbedingungen und Art des eingesetzten Bio — brennstoffes enthalt das Rohgas zusatzlich noch unterschiedliche Mengen an gro — ben und feinen Partikeln, Alkalien, Schwefel-, Halogen — und Stickstoffverbindun — gen sowie ggf. an Schwermetallen.
Diese meist unerwunschten Verunreinigungen, die im Rohgas enthalten sein konnen und im Falle der Teere und Partikel meist auch sind, konnen zu
— Erosionen, Korrosionen und/oder Ablagerungen in nachgelagerten Anlagentei — len,
— Umweltbelastungen durch unzulassige Emissionen und
— Aktivitatsminderung bis hin zu Inaktivierung (Vergiftung) von z. B. Katalysato — ren u. a. beim Einsatz in Syntheserektoren
fuhren. Daher ist die Kenntnis des Gehaltes dieser unerwunschten Substanzen im Produktgas fur die meisten Anwendungen von groBer Bedeutung. Zusatzlich muss, um die genannten Auswirkungen zu vermeiden, vor der Nutzung des Rohgases z. B. in Motoren oder Turbinen bzw. in Synthesegasanwendungen ein teilweise
Tabelle 11.6 Partikel — und Teergehalte im ungereinigten Produktgas aus verschiedenen Vergasungssystemen (Angaben bezogen auf trockenes Gas und Normzustand) /11-15/, /11-144/, /11-166/
Gegen- strom |
Festbett Gleichstrom/ Doppelfeuer |
Mehr- stufig |
SWS |
Wirbelbetta ZWS Zweibett WS |
Flugstrom |
|
Partikelgehalt in g/m3 Bereich 0,1 — 3 |
0,1 — 8 |
k. A. |
1 — 100 |
8 — 100 |
5 — 50 |
< 0,05 |
Mittelwert 1 |
1 |
k. A. |
4 |
20 |
20 |
< 0,05 |
C-Gehalt gering |
sehr hoch |
sehr |
gering |
hoch |
hoch |
sehr gering |
Teergehalt in g/m3 Bereich 10 — 150 Mittelwert 50 |
0,1 — 6 0,5 |
hoch n. n. |
1 — 23 12 |
1 — 30 8 |
0,5 — 2 1 |
n. n. |
SWS stationare Wirbelschicht; ZWS zirkulierende Wirbelschicht (Werte bei Wirbelschicht — verfahren nach Zyklon); WS Wirbelschicht; n. n. nicht nachweisbar (d. h. < 0,1 g/m3); k. A. keine Angabe (d. h. bisher nur Zielwerte verfugbar); a Bettmaterial Sand bzw. Olivin |
erheblicher technischer Aufwand zur Entfernung bzw. Verringerung dieser uner — wunschten Gasbestanteile betrieben werden.
Tabelle 11.6 zeigt typische Teer — und Partikelgehalte verschiedener Verga- sungssysteme. Daraus ist ersichtlich, dass die Rohgase aus den heute verfugbaren Vergasungssystemen Teer — und Partikelgehalte sowie weitere Verunreinigungen aufweisen, die fur die meisten Anwendungen als nicht akzeptabel zu bezeichnen sind, da sie deren technische Lebensdauer signifikant reduzieren. Mit Ausnahme einer ausschlieBlich thermischen Verwertung (d. h. Verbrennung) erfordern des — halb alle ubrigen Anwendungen von Produktgasen (d. h. Konversionsanlagen zur Umwandlung in End — bzw. Nutzenergie) eine wirkungsvolle Gasreinigung zur Abscheidung von Partikeln und Teerverbindungen und teilweise auch weiterer Verunreinigungen aus dem Produktgas.
Nachfolgend werden die verschiedenen moglichen Verunreinigungen im Produktgas naher erlautert.
Partikel. Bei den im Rohgas enthaltenen Partikeln kann es sich um die anorgani — sche Aschen, die aus den Mineralien im Brennstoff resultieren, dem nicht umge — setzten Brennstoff in Form von Koks und dem Bettmaterial handeln. Derartige Partikel konnen bei ungenugender Abscheidung zu Ablagerungen bzw. Verstop — fungen und Erosion (d. h. ggf. auch Beschadigungen von nachgeschalteten Anla — genteilen) sowie zu Problemen bei der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte fuhren.
Demnach zeigt das Produktgas beispielsweise von Festbettvergasern deutlich geringere Partikelgehalte im Vergleich zu dem aus Wirbelschichtverfahren, da der Brennstoff verfahrensbedingt nicht verwirbelt wird und die Stromungsgeschwin- digkeiten im Reaktor wesentlich geringer sind. Das ungereinigte Produktgas der zirkulierenden Wirbelschichtvergasung weist — aufgrund der hohen Gasgeschwin- digkeiten — beispielsweise Partikelgehalte von typischerweise 20 g/m3n auf. Diese im Produktgas enthaltenen Staube sind dabei extrem fein und lassen sich mit einem
Zyklon kaum ausreichend abscheiden. Zudem enthalten sie ca. 80 Gew.-% Koh — lenstoff und weisen deshalb einen groBen Energieinhalt auf. Bei den anderen Ver — gasungstechniken sind entsprechend geringere Partikelgehalte ublich; die in ihrem Kohlenstoffgehalt variieren. Einen qualitativen Uberblick gibt Tabelle 11.6.
Teere. Teere — sie entstehen infolge der pyrolytischen Zersetzung (Kapitel 9.2) — sind eine komplexe Mischung aus organischen Kohlenwasserstoff-Verbindungen. I. Allg. werden darunter alle Komponenten mit einem Molgewicht groBer als Ben — zen (78 g/mol) verstanden. Teilweise wird auch eine durchschnittliche Siedetem — peratur (z. B. 300 °C) zur Beschreibung von Teer herangezogen.
Teere fuhren aufgrund ihrer Kondensation in den dem Vergaser nachgeschalte — ten Systemkomponenten zu Ablagerungen, wenn das Gas vor der Nutzung kuhle Anlagenteile durchstromt oder komprimiert wird. Sie mussen daher zwingend aus dem Rohgas entfernt werden. Zudem stellt Teer — im Falle der gezielten Abschei- dung — auch aus Umweltgesichtspunkten ein Entsorgungsproblem dar. Daher sollte bereits durch die Auswahl geeigneter Vergasungsverfahren die Teerbildung weit- gehend minimiert bzw. technische MaBnahmen zu dessen umweltgerechten Ent — sorgung getroffen werden.
Die letztlich den Vergaser verlassende Teermenge wird wesentlich von der Temperatur und der Verweilzeit der Partikel und Gase in der heiBen Vergasungs — zone beeinflusst /11-2/. Diese Bedingungen konnen in verschiedenen Vergaserty — pen sehr unterschiedlich sein.
Die mit Abstand hochsten Teergehalte finden sich im Produktgas von Gegen — stromvergasern. Das heiBe Gas stromt hier aus der Oxidations — in die Reduktions — zone und stellt von dort aus die pyrolytische Zersetzung sowie die Trocknung und Aufheizung des Brennstoffs sicher. Dadurch werden die beim pyrolytischen Abbau der organischen Stoffe freigesetzten langkettigen organischen Verbindungen nicht mehr gecrackt; erhohte Kohlenwasserstoff — und Teergehalte im Produktgas sind die Folge.
Im Gleichstrom- und auch im Doppelfeuervergaser passieren die hoher sieden — den Teerverbindungen dagegen die heiBe Reduktionszone und werden dort — zu — mindest in der Theorie — aufgespalten. Daraus resultieren bei diesen Vergaserty — pen im Vergleich zum Gegenstromvergaser deutlich geringere Teergehalte. Dabei handelt es sich aber um wesentlich stabilere Substanzen, die in den nachgeschalte — ten Anlagen schwieriger zu reduzieren sind als die Teere aus Gegenstromverga — sern.
Die Teergehalte des Produktgases aus Wirbelschichtreaktoren liegen in etwa zwischen diesen beiden Vergasertypen. Sie werden hier jedoch erheblich von der Temperatur beeinflusst. Hier sind Temperaturen uber 800 °C sowie ausreichend lange Verweilzeiten notwendig, um Teergehalte unter 1 g/m3n zu erreichen. Bei Wirbelschichtvergasern ist weiters zu beachten, ob das verwendete Bettmaterial katalytisch aktiv in Bezug auf die Teerreduktion wirkt. Ist dies der Fall, konnen die Teerwerte stark reduziert werden (untere Grenze der Teerwerte in Tabelle 11.6). Dies kann insbesondere mit Vorteil bei Zweibettwirbelschichten mit umlaufendem Warmetrager angewandt werden, da es in der Verbrennungszone laufend zur Regeneration des Bettmaterials (d. h. des Katalysators) durch Abbrennen von ggf. angelagertem Koks kommt.
Mehrstufige Festbettvergaser wurden primar mit der Zielstellung eines geringen Teergehaltes im Produktgas entwickelt. Dazu werden die biogenen Festbrennstoffe in einem separaten Reaktor zunachst infolge der pyrolytischen Zersetzung in ein teerhaltiges Pyrolysegas und den Pyrolysekoks zersetzt. Das teerhaltige Gas wird anschlieBend unter hohen Temperaturen oxidiert; dabei werden die Teere ther- misch zersetzt. Das dadurch in der anschlieBenden Reduktionszone (d. h. zweiter Reaktorteil) entstehende Produktgas ist damit sehr teerarm; bisher vorliegende Messwerte liegen unter der Nachweisgrenze von ca. 0,1 g/m3n.
Bei Flugstromvergasern — sie wurden ursprunglich fur die Synthesegasproduk — tion (d. h. weitgehend kohlenwasserstofffreie Produktgase) entwickelt — erfolgt die Vergasung auf einem relativ hohen Temperaturniveau. Damit bieten diese nach derzeitigen Erkenntnissen ebenfalls die Moglichkeit, den Teergehalt soweit zu re — duzieren, dass keine zusatzliche Teerabscheidung erforderlich ist.
Insgesamt konnen aber die Angaben der Teergehalte in der Literatur aufgrund unterschiedlicher Messmethoden (und damit verschiedenartiger Definitionen des Begriffs Teere) und nur eingeschrankt angegebener Messrandbedingungen kaum miteinander verglichen werden. Zwar gibt es Ansatze fur eine standardisierte Messmethode fur Teere; diese wird aber bisher nicht konsequent fur die Bestim — mung der Teergehalte verwendet. Deshalb ist an dieser Stelle eine weiterfuhrende Diskussion und Analyse der verschiedenen Einflussparameter auf den Teergehalt aufgrund der vorliegenden Resultate in der Literatur nicht sinnvoll. Vor diesem Hintergrund sind die in Tabelle 11.6 angegebenen Werte nur als typische Bereiche zu verstehen, die bei extremer Betriebsfuhrung aber auch deutlich uberschritten werden konnen.
Alkalien. Alkalien kommen im Rohgas uberwiegend als Natrium — und Kaliumver — bindungen vor. Diese verdampfen aus dem Brennstoff bei uber 800 °C — z. B. als Kaliumhydroxid (KOH) oder Kaliumchlorid (KCl) — und konnen auf kuhleren Flachen (ab einer Temperatur von 600 °C) feste Ablagerungen oder kleine Partikel (< 5 ^m) bilden. Diese Alkalien-Ablagerungen konnen bei hohen Temperaturen — wie z. B. in Gasturbinen — (wieder) verdampfen und zur HeiBgaskorrosion (z. B. an den Turbinenschaufeln) fuhren.
Wie viel der in der Biomasse enthaltenen Alkalien letztlich in den Gasstrom ubergehen, hangt primar von den Reaktionsbedingungen (d. h. Temperatur, Druck) und vom Reaktortyp ab. Zusatzlich beeinflussen im Reaktor vorhandene Spuren — komponenten — wie z. B. Chlorverbindungen — die Freisetzung von Alkalien ins Produktgas /11-107/.
Stickstoff-, Schwefel — und Halogen-Verbindungen. Im Produktgas aus der Bio-
massevergasung konnen sich auch Verunreinigungen finden, die aus Stickstoff-, Schwefel — und Halogenverbindungen der eingesetzten Biomasse resultieren. Ihre Gehalte hangen damit vor allem vom eingesetzten Biobrennstoff und den Reaktionsbedingungen bei der Vergasung ab.
Stickstoff(N)-Verbindungen. Der brennstoffgebundene Stickstoff wird bei der Vergasung zum GroBteil in Ammoniak (NH3) (etwa 50 bis 80 %; kleinere Anteile auch in andere Stickstoffverbindungen wie HCN) umgewandelt. Das Verhaltnis
Tabelle 11.7 Beispiele fur Gehalte an stickstoffhaltigen Komponenten im ungereinigten Produktgas bei der Vergasung von Holz (Angaben bezogen auf trockenes Gas und Norm — zustand) /11-95/
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der NH3- zur HCN-Konzentration ist dabei jedoch je nach Vergasungssystem un — terschiedlich. Typische Gehalte an Stickstoff-Verbindungen im ungereinigten Produktgas verschiedener Vergasungssysteme fur Holz zeigt Tabelle 11.7.
Auch der Stickstoffgehalt des zu vergasenden Brennstoffes beeinflusst die Gehalte der Stickstoffkomponenten im Produktgas. Dabei besteht eine in etwa lineare Abhangigkeit zwischen den stickstoffhaltigen Komponenten im Produktgas und dem Stickstoffgehalt im biogenen Brennstoff /11-59/, /11-159/ (z. B. NH3-Gehalt von 800 ppm bei einem Stickstoff(N)-Gehalt von 0,1 % in der Biomasse, NH3- Gehalt von 1 700 ppm bei einem Stickstoff(N)-Gehalt von 0,45 %; gemessen in einer Laborwirbelschicht bei der Vergasung mit Luft, bei 800 °C und bei Umge- bungsdruck). Zusatzlich beeinflusst die Vergasungstemperatur und der Verga- sungsdruck den Anteil der stickstoffhaltigen Gaskomponenten /11-95/.
Da bei der Verbrennung des Produktgases die Stickstoff-Verbindungen zu NOx umgewandelt werden, ist eine Entfernung bzw. Reduktion derartiger stickstoffhal — tiger Verbindungen aufgrund der gesetzlich geregelten Emissionsgrenzwerte meist notwendig. Auch ist zu vermuten /11-59/, dass der im Rohgas enthaltene Ammoni — ak bei einer motorischen Nutzung die Schmierfahigkeit des Motorenols herabset — zen kann.
Schwefel(S)-Verbindungen. Der Gehalt an Schwefel-Verbindungen im Produktgas (v. a. in Form von Schwefelwasserstoff (H2S)) wird ebenfalls weitgehend vom Schwefelgehalt im Brennstoff sowie den Prozessparametern im Reaktor — bei- spielsweise der Temperatur — beeinflusst /11-107/.
Bei unbehandeltem Holz ist der Schwefelgehalt in der Regel aber so niedrig, dass beispielsweise bei einer motorischen Nutzung des Produktgases auf eine ge — sonderte Entfernung von Schwefel-Verbindungen (H2S-Gehalt ca. 50 bis 100 ppm) verzichtet werden kann. Beim Einsatz von Biobrennstoffen mit hoheren Schwefel — gehalten (z. B. kontaminiertes Altholz) oder dem Einsatz von Produktgasen in
Brennstoffzellen und nachgeschalteten katalytischen Umwandlungen (d. h. Synthe — sen) ist allerdings in jedem Fall eine Entfernung der im Produktgas enthaltenen Schwefel-Verbindungen notwendig, da beispielsweise Schwefelwasserstoff (H2S) fur viele in Frage kommenden Katalysatoren ein Gift darstellt; deshalb fordern derartige Gasnutzungstechnologien Konzentrationen von unter 1 ppm bzw. unter 0,1 ppm Schwefel im Produktgas /11-41/.
Halogen(Cl)-Verbindungen. Halogen-Verbindungen treten bei Einsatz naturbelas — sener Holzer — aufgrund des sehr geringen Chlorgehalts — ublicherweise kaum auf (HCl-Gehalt < 10 ppm). Daher ist beispielsweise bei einer motorischen Verwen — dung des Produktgases eine gesonderte Entfernung der Halogen-Verbindungen (hauptsachlich HCl) meist nicht notig. Beim Einsatz halmgutartiger Brennstoffe, deren Chlorgehalte im Vergleich zu Holz um GroBenordnungen hoher liegen kon — nen, kann eine Entfernung von Halogen-Verbindungen dagegen zwingend erfor — derlich werden /11-16/, /11-58/, /11-152/.
Schwermetalle. Neben den genannten Spurenkomponenten konnen diverse Schwermetalle (z. B. Zn, K, Pb) problematisch fur die nachgeschalteten System — komponenten sein (z. B. fur den Oxidations-Katalysator eines Gasmotors). Daher mussen diese — je nach Brennstoffart, Prozessbedingungen sowie Einsatzart des Produktgases — ebenfalls aus dem Rohgas entfernt werden /11-56/.